Dienstag, 7. März 2017

Was dürfen Satire und Kunst?

Ich hatte Anfang Februar 2017 über eine Quasselbuden-Show geschrieben, in der es um die Frage nach dem Respekt vor der Polizei ging. Dort war ein ehemaliger Polizist zugegen, der u. a. die Respektlosigkeit gegenüber der Polizei mit dem Verweis darauf beklagte, dass das  Bundesverfassungsgericht die ACAB-Losung (all cops are bastards) faktisch erlaubte. (Konkreter: Dem Verbot der ACAB-Losung – als Aufnäher usw. – wurden rechtlich hohe Hürden auferlegt.)

Nun bin ich zufällig über ein anderes Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestoßen, das einen ähnlichen Sachverhalt aufgreift, aber in der Sache nochmal eine breitere Bedeutung hat: Damit meine ich das Urteil vom 03.11.2000im Zusammenhang mit dem Abspielen des Slime-Songs „Deutschland muss sterben,damit wir leben können“.



Ich finde, dass es lohnt, sich das Urteil in Gänze durchzulesen. Erstens, um sich zu vergegenwärtigen, was sich innerhalb von zwei Instanzen (Amts- und Landesgericht) offenbar so alles an politischer Gesinnungswillkür ansammelt. Zweitens wird auch noch einmal deutlich, welche Hürden der Einschränkung der Kunstfreiheit gestellt sind. Und drittens zeigt sich auch, was alles zur Einschätzung solcher Fälle zu berücksichtigen ist. Ich war ziemlich erstaunt, in welchem Umfang dort der Song von Slime gewürdigt wird – auch mit Blick auf den historischen Kontext, die Einordnung als Punksong und unter Berücksichtigung von Ironie und Satire.

Ich bin jetzt kein Fachmensch, aber ich schätze, dass Letzteres auch mit Blick auf die Einschätzung des viel diskutierten Falls „Böhmermann“ interessant sein könnte. Jedenfalls hätte mit Blick auf die Frage, was Satire darf oder nicht, auch einmal auf dieses Urteil verwiesen werden können. Gelesen habe ich davon aber bislang nichts.

Nunja, ich möchte das gerne zum Anlass nehmen, an eine Ost-„Punk“-Band zu erinnern, die auch mit strittigenLiedern von sich reden machte: Die Skeptiker. Für mich war das nie eine reine Punkband und wahrscheinlich liegt’s auch am ost-deutschen Hintergrund, dass die Skeptiker immer auch etwas anders (zum Teil metallischer) klangen als Punk-Bands aus dem „Westen“. Songs wie „Hinter den Mauern der Stadt“ sind für mich nach wie vor Klassiker (für im Westen sozialisierte Menschen: achtet mal darauf, wie später im Lied „Stadt“ gesungen wird. ;-) ). Von der textlichen Qualität her für mich auch meilenweit über dem Durchschnitt normaler Punkbands.

Zwei kleine Anspieltipps aus einem jüngeren Album (ich weiß, die älteren Alben sind Klassiker):



EGO

Ich bin nicht schön und auch nicht lieb,
ich bin nicht reich, kein toller Typ,
sah nie die Welt, weit fort von hier
und Sehnsucht nagt ganz tief in mir.

Wenn ich mich so seh, diese kalte Gier,
die ich nicht versteh, wächst die Angst in mir.
Wenn ich mich so seh, fällt mir nichts mehr ein,
weil ich nicht versteh, wie kann man nur so sein.

Ich bin nicht dumm und auch nicht klug,
von allem so, grad so genug.
Erwarte nie Verbindlichkeit,
wenn du mich brauchst, dann bin ich weit.

Wenn ich mich so seh ...

Für meinen Spaß nutze ich alle aus,
beißen sie ins Gras, komme ich groß heraus,
an ihrer Kraft richte ich mich auf,
sind sie geschafft dann steh ich auf.

Wenn ich mich so seh, diese kalte Gier,
die ich nicht versteh, wächst die Angst in mir.
Wenn ich mich so seh, fällt mir nichts mehr ein,
weil ich nicht versteh, wie kann man nur so sein.







WOCHENENDGEWALT

Am Wochenende immer wieder nur Gewalt,
du siehst die "Tagesschau", es überläuft dich kalt,
man sieht sie grölend durch die Straßen zieh'n bei Nacht,
sie brüllen "Deutschland" wäre wieder "erwacht".

Der Staat wie immer auf dem rechten Auge blind,
brutal - egal wie radikal die ganzen Zombies sind,
an Häuserwänden nur Parolen voller Hass,
kein Wort von Liebe aber "Kreuzberg in's Gas!"

Steh'n wir zusammen, schließt die Reihen,
Untätigkeit ist nicht zu verzeihen,
steh'n wir zusammen, geh'n  wir dagegen,
es geht um uns und um unser Leben.

Die Innenstädte häufig "Hakenkreuz" beschmiert,
der braune Mob ganz dreist am Brandenburger Tor posiert,
sie schwenken wieder alte Fahnen in der Stadt,
es rührt die Trommel fest im Schritt der Kamerad.

Die Polizei beschützt den Horror, das Zombieaufgebot,
Gefahr von Links erklärt man schnell noch in Erklärungsnot,
und Ignoranz heißt heute Politikverdrossenheit,
so manche Zone nennt sich "national befreit".

Steh'n wir zusammen ...

Wochenendgewalt, vom Album „Fressenund Moral“ (2009)


Wer die Skeptiker noch nicht kannte und sich an die Stimme gewöhnt, sollte dort unbedingt einmal reinhören.

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