Freitag, 10. März 2017

Zensur oder: Eigentor...

Kürzlich wurde der Dokumentarfilm „Zensur“ von Markus Fiedler veröffentlicht, den auch die NachDenkSeiten (NDS, 09.03.2017) ihren Leserinnen und Lesern „ans Herz legen“. Worum geht’s bei dieser Dokumentation?

„Zensur“ ist praktisch die Fortsetzung von Fiedlers „Die dunkle Seite der Wikipedia“. Am Beispiel von Daniele Ganser, aber auch Ken Jebsen wird thematisiert, wie die entsprechenden Einträge zu diesen Personen auf Wikipedia „zensiert“ werden. Dabei sollen laut Dokumentation verschiedene Netzwerke ihre Hände im Spiel haben: Genannt werden u. a. die Ruhrbarone, Psiram, GWUP und der Humanistische Pressdienst, die alle irgendwie in Verbindung stehen. Darüber hinaus werden antideutsche Ideologie sowie verschiedenes Personal der Amadeo-Antonio-Stiftung diskutiert.

Nun kann mensch zu Ganser, Jebsen oder auch zu den NDS stehen wie mensch will. Im Grunde ist es für mich auch völlig unerheblich, um wen es sich dabei tatsächlich handelt. Denn es bleibt eine zu kritisierende Sauerei, wenn – wie in der Dokumentation behauptet – die Einträge bei Wikipedia entsprechend ideologisch zensiert, frisiert oder bewusst mit falschen oder halbgaren Sachverhalten gespeist werden. Das, so die Dokumentation, bezieht sich nicht nur auf Personen, sondern auch auf Themengebiete (z. B. Nato). Ich finde es grundsätzlich auch informativ, wenn Netzwerke erkennbar gemacht werden, die inhaltlich einen Einfluss auf Medien haben und die sich zum Teil rege gegenseitig zitieren. Und offen gestanden halte ich die Skeptiker-Bewegung, die im deutschsprachigen Bereich u. a. durch Psiram und GWUP vertreten werden, für zum Teil recht dogmatische Ideologen, wo Wissenschaft nur das Ersatzlabel „Glaube“ ist. Das einmal zu benennen, das finde ich so schlecht nicht.

Soweit, so gut und so berechtigt das ursprüngliche Anliegen der Dokumentation (soweit ich das in meiner wohlmeinenden, vielleicht naiven Art unterstelle). Nicht so gut – bis grauenhaft – sind die Machart – also der Stil und die Ästhetik – sowie verschiedene inhaltliche Punkte der Dokumentation.

Stilistische Kritikpunkte

Zu den stilistischen Dingen, die mir negativ auffallen, zählt vor allem die Länge. Die Dokumentation geht über zwei Stunden, was an sich kein Problem wäre, wenn in den zwei Stunden auch etwas passieren würde. Doch es werden Dinge wiederholt, dann gibt es m.E. auch noch einen völlig unnötigen „Einspieler“ im Stile von „Sendung mit der Maus“, damit auch das letzte zum Menschen mutierte Pantoffeltierchen mitbekommt, um was es geht. Überhaupt werden in der gesamten Dokumentation meist Dinge erläutert, bei denen ich mich frage, ob das nicht auch hätte kürzer gehen können und inwiefern dafür eine Dokumentation überhaupt das richtige Format ist.

Denn wenn es schwerpunktmäßig um Papiere, Einträge, Tabellen usw. geht, dann lese ich doch lieber einen Artikel – mit entsprechenden Quellenvermerken und einem Literaturverzeichnis. Das muss ich nicht in einer Dokumentation haben. Stattdessen hätte Fiedler viel mehr Interviews einbauen können (mir geht’s hier nur um den stilistischen Effekt, nicht um die Interviewten – das wäre nochmal eine andere, eher inhaltliche Sache). So aber wirkt die Dokumentation wie eine schlechte Vorlesung, bei der die Dozierenden Folie für Folie über den Lichtprojektor (ostdeutsch: Polylux) ziehen.

Negativ finde ich auch diesen ganzen Pathos in der musikalischen Untermalung und den verschwörerisch wabernden grünen Matrix-Hintergrund als Zwischenblende. Gut, da mag mensch sagen, dass das z.B. bei den Happy-Nazi-Hitler-Dokus im ZDF auch nicht anders gemacht wird. Doch irgendwo stellt die Dokumentation an sich den Anspruch, Medien zu kritisieren und damit selbst seriös zu sein. Was soll also eine musikalische und optische Untermalung, die ständig das Gefühl von „Verschwörung“ und „Gefahr“ vermittelt? Das gilt vor allem bei einer Dokumentation, die antritt, dem Vorwurf der Verschwörung gegenüber bestimmten Personen etwas entgegenzusetzen. Warum dieser orakelnde Ton? Der erstreckt sich übrigens auch über die rhetorischen Fragen, die dort gestellt werden. Stilistisch geht das also – gemessen auch am Anspruch – total nach hinten los.

Inhaltliche Kritikpunkte

Vom Inhalt her will ich zwei negative Dinge hervorheben. Dazu gehört allgemein das Thema „Antifa“. Am Anfang des Beitrags wird auf Gewalt und antideutsche Strömungen in der Antifa hingewiesen. Dazu wird irgendwo im ersten Drittel der Dokumentation noch differenziert argumentiert, dass es eine „echte“ Antifa geben würde und eine, die von antideutschen IdeologInnen unterwandert sei. Aber je weiter die Dokumentation voranschreitet, desto weiter entfernt sich Fiedler von dieser Differenzierung. Im späteren Verlauf wird dann nur noch von der Antifa gesprochen, die mit Antideutschen gleichgesetzt wird.

Als zweiten, viel schwer wiegenden Punkt, empfinde ich die Behauptung, dass die Antifa vom Staat unterstützt würde und Gelder bekommt, um z. B. Gegendemonstrationen durchzuführen. Dazu wird in der Dokumentation Vera Lengsfeld eingeblendet (ab Minute 40:11), die dort behauptet, dass sich unter anderem der sächsische Freistaat hier besonders mit der entsprechenden Unterstützung hervortun würde. Garniert ist das Ganze noch mit ihrer Behauptung, diese Unterstützung würde auf alten SED-Seilschaften beruhen. Lengsfeld selbst wird dort als Stasi-Opfer vorgestellt, was sie auch in der Tat ist.

Nur vergisst Fiedler zu erwähnen, dass Lengsfeld auch noch ziemlich konservativ und CDU-Mitglied ist. Frau Lengsfeld schreibt auf der „Achse des Guten“ und war 2013 im Vorstand des konservativen Bürgerkonvents – zusammen mit B.v.Storch/AfD (Lobbypedia). Wer genau schaut, wird feststellen, dass Lengsfeld den Vortrag, auf den Fiedler verweist, auf einer Veranstaltung der Preußischen Allgemeinen Zeitung hält - die wiederum ins neurechte Spektrum einsortiert wird. 2016 hat sich Frau Lengsfeld dann auch noch recht öffentlichkeitswirksam einen erheblichen Griff in die Kloschüssel geleistet, als sie den Rechtsextremismus in Sachsen und das dazugehörig blinde Auge der (CDU-) Landesregierung relativierte (siehe Stern, 01.12.2016).

Jedenfalls braucht es nicht viel, um mit der von Fiedler gern bemühten Methode Dr. Google zu erfahren, dass sich Frau Lengsfeld in verschiedenen Artikeln sehr deutlich gegen das wendet, was sie „Linksextremismus“ bezeichnet. Und das kann so ziemlich viel sein, was nicht ins konservative Weltbild passt. Nicht verwunderlich ist dabei, dass dann ständig „links“ und „Nazi“ und „rechts“ zusammengewürfelt wird. Zwar mag das irgendwo grob zu Fiedlers These passen, dass die Antifa unterwandert sei, nichts mehr mit der „alten“ Antifa zu tun habe und dass diese antideutsche Antifa Hetzjagd auf bestimmte Friedensbewegte und Linke macht, die von ihr als „antisemitisch“, „antiamerikanisch“ usw. denunziert werden. Aber so recht realisiert hat Fieder dabei nicht, dass er sich in seiner Kritik mit einer Person gemein macht, die so stramm konservativ gebürstet ist, dass sie tatsächlich im neurechten Milieu flanieren geht.

Es ist schon kurios, dass er gerade den Querfront-Vorwurf mit einer Person zu entkräften versucht, die hier Querfront von rechts ruft. Links und rechts werden von ihr bekanntlich gleichgesetzt, wo es doch dem Autor eigentlich auch darum geht, bestimmte Personen wie Ganser oder Jebsen vor dem Vorwurf „rechts“, „rechtsradikal“ und „Querfront“ zu schützen.

Das ist reichlich schräg. Und noch schräger wird es, wenn ich die obige Behauptung mit dem abgleiche, was ich in Sachsen erlebt habe.

Ich selbst bin in Leipzig groß geworden, habe im alternativen Milieu Hardcore-Punk gemacht und kann mich noch gut an die Situation 1996 bis 1999 erinnern. Da war die rechte Gewalt noch durchaus sehr hautnah zu spüren, insbesondere, wenn’s ins tief braune sächsische Hinterland ging, wo es noch die einen oder anderen alternativen Jugendzentren und -clubs gab.

Ich kenne auch Leute, die sich gegen rechts engagiert haben. Jetzt weiß ich nicht, ob die bei der antifa waren. Aber ich weiß, dass der liebe Freistaat so seine Probleme mit der Förderung von demokratischer Jugendkultur und so hatte. Das kumulierte dann letztlich in die bekannte Anti-Extremismusklausel, wo sich die, die schon über Jahre hinweg gegen rechts mobilisierten und auch Bildungsarbeit leisteten, auf einmal zum Grundgesetz bekennen sollten. Ganz so, als ob die es sind, die mit Menschenwürde, Gleichberechtigung usw. ein Problem hätten. Das war auch deshalb übel, weil die praktisch für alle die Hand ins Feuer halten sollten, die an ihren Aktionen teilnahmen. Nun kann aber niemand ausschließen, dass im Falle einer Gegendemo gegen rechts auch Leute kommen, die dem Freistaat Sachsen nicht genehm sind. Tja, so wurde aus der Extremismusklausel ein Instrument der Gesinnungssippenhaft. Glücklicherweise wurde die 2015 abgeschafft. Nichtsdestotrotz bleibt’s ein Symbol für die Situation in Sachsen. Selbst wenn Sachsen also Demonstrationen gegen rechts unterstütz haben sollte, war das offenbar nie genug und – entgegen der Suggestion in der Dokumentation – dringend geboten. Ich werfe hier nur das Schlagwort NSU in den Raum, das müsste zumindest bundesweit bekannt sein. Die, die sich in Sachsen gegen rechts stellten, die lassen sich jedenfalls nicht so einfach auf gewalttätige, antideutsche Ideologen reduzieren.

Tja und da kommt Herr Fiedler in offenbar völliger Unkenntnis der Sachverhalte her, verweist auf eine rechts-konservativ blinkende CDU-Frau und deren Behauptung, dass Sachsen Gegendemonstrationen gegen rechts unterstützt, und lässt das wirken, als ob es sich vornehmlich um antideutsch motivierte Gegendemonstrationen gegen rechts gehandelt habe. Das, was gegen rechts ist, wird damit im Dreisprung unter „links“, „linksextrem“ und „antideutsche Antifa“ zusammengefasst. Im Subtext wird damit auch noch transportiert, dass diese antideutschen Ideologen vom Staat unterstützt werden. Vielleicht mag das nicht beabsichtigt gewesen sein. Aber genau so kommt es bei mir als ehemaligen Sachsen an.

Nicht nur, dass sich Fiedler mit Blick auf den durchaus missbräuchlichen „Querfront-Vorwurf“ ins Knie schießt. Nein, richtig ärgerlich ist, dass er mit dieser Suggestion auch noch allen einen Bärendienst erweist, die sich im braunen Hinterland – schon seit Jahren – für ein buntes und demokratisches Klima engagieren. Und der Vorwurf ist mit Blick auf die Dokumentation keineswegs nur auf Sachsen beschränkt, sondern darf gerne mit Blick auf den gesamtdeutschem Kampf gegen rechts gewertet werden. (Ich hab’s hier nur auf Sachsen bezogen, weil in der Dokumentation dieser Bezug gewählt und bundesdeutsch verallgemeinert wurde.)

Schlussbemerkung

Es gäbe insgesamt sicher noch das eine oder andere mehr zu der benannten Dokumentation zu schreiben. Aber ich habe mich bewusst auf die beiden genannten inhaltlichen Punkte beschränkt, weil sie mir regelrecht ins Auge gesprungen sind. Und weil ich denke, dass diese schon ziemlich schwer wiegen. Schließlich betrifft das Behauptungen, die sich durch die gesamte Dokumentation ziehen. Jedenfalls halte ich diese beiden Punkte für ausreichend, um zu zeigen, warum mich die Dokumentation nicht wirklich überzeugt hat und warum ich diese trotz des berechtigten Anliegens nicht ernst nehmen kann. Die Dokumentation leistet sich – wie geschrieben – einen Schuss ins Knie. Denn im Grunde arbeitete sie dem Vorwurf der „Querfront“ zu, in dem „links“ wie „rechts“ gleichgestellt werden.

Bemerkenswert ist aber auch, dass die NDS diese Dokumentation empfehlen. Es ist ja nicht so, dass Müller & Co. sich nicht auch ständig dazu angehalten sehen, sich mit dem „Querfront“-Vorwurf beschäftigen zu müssen. Und nun legen sie einem eine Dokumentation ans Herz, in dem mit Verweis auf eine rechtskonservative CDU-Politikerin „rechts“ mit „links“ gleichgesetzt wird. Schönes Eigentor, kann ich da nur sagen.

(Update 13.03.2017, 00:14 Uhr ,Ergänzung zu Lengsfeld)

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